Vergeben kann keineswegs nur ein Mensch der vollkommen 'gut' ist.
Sonst wären unsere ganzen gegenseitigen 'Vergebungs- und Versöhnungs-bemühungen'
vergeblich. Auch die Bibel spricht hier deutlich:
Denn wenn ihr den Menschen ihre Fehler vergebet, so wird euer himmlischer Vater
euch auch vergeben. Wenn ihr aber den Menschen ihre Fehler nicht vergebet, so
wird euch euer Vater eure Fehler auch nicht vergeben.
(Mt 6,14-15)
Das geht ja sogar noch viel krasser und weiter: Wir finden Vergebung beim
himmlischen Vater nur in dem Ausmass, wie wir den an uns schuldig gewordenen Mitmenschen
Vergebung erweisen! Selbstverständlich unterscheidet sich ein hunderprozentiger
Mensch wie Jesus von uns Anfängern im Glauben und Menschsein. Jedoch nicht in
der Notwendigkeit und Anforderung Vergebung walten zu lassen. Das erwartet der
Vater von uns wie von Jesus.
Jesus ist mir und vielen Tausenden und Millionen von Menschen ein leuchtendes Vorbild, das Kraft und Mut gibt, für Wahrheit, Gerechtigkeit, für Liebe und Leben einzustehen und dafür Verspottung, Verachtung, vielleicht sogar Gewalttat und Tod in Kauf zu nehmen. Ein leuchtendes Vorbild gerade auch in der Vergebungsbereitschaft. Weder der Auftritt von Jesus, noch seine Lehre, noch sein Kreuzestod waren überflüssig. Es war sein Leben und sein Weg. Er ist ihn gegangen und er wurde zum Vermächtnis für die Menschheit.
Die Sühneopfertheologie ist allerdings ein anderes Thema. Wer in
ihr für sich Frieden findet von Schuld und Sünde, mag sie so wörtlich annehmen.
Wenn sie aber angewendet wird, um einen Wahrheitsabsolutheitsanspruch geltend
zu machen verbunden mit der Drohung von ewiger Hölle und Verdammnis wenn nicht
das Kreuz ganz genauso verstanden und interpretiert wird wie die Kirche - der
Klerus (den gibts auch bei den so genannten 'freien' Kirchen...) - es predigt,
dann ist etwas faul am Kreuz. Nicht am Kreuzesgeschehen selber, das war was es
war und ist als mächtiges Symbol von Liebe und Vergebung und Auferstehung des Lebens
in Liebe und Vergebung ein 'Lebensspender' ersten Ranges. Faul ist aber, dieses
Vergebungs- und Auferstehungsgeschehen des Lebens zum Gesetz und Gericht zu
erheben. Das Kreuz Christi ist definitiv Gnade und nicht Verurteilung. Niemals
hätte Jesus vom Kreuz herunter in die Menge geschrien: "Wenn ihr nicht
glaubt, dass ich Gott bin, dann fahrt ihr zu Hölle!" Nein, er bat:
"Vater, vergib' ihnen..."